Ansatz:
1.
Martin Luther war in dem ursprünglichen Denkmal “zentralistisch” ausgerichtet, auf einem Podest, um durch die Höhe der Skulptur das historische Gewicht zu demonstrieren – dies ist in der heutigen Zeit jedoch ein eher antiquiertes Denken.
Daher sieht der Entwurf vor, die Statue auf Augenhöhe auszurichten. Erst durch die physikalische Annäherung des Betrachters innerhalb der in Höhenstufen aufgebauten Denkmalanlage gewinnt er wieder an Präsenz – auch der ursprüngliche Sockel wird so ebenfalls sichtbar. Der Besucher ist angehalten mit dem Denkmal zu interagieren und die Person Luther auf verschiedenen Ebenen zu erschließen.
Nicht nur durch die physikalische Annäherung, sondern auch die inhaltliche Positionierung des Besuchers ist dabei von Gewicht. Luthers Weggefährten waren ursprünglich Teil der Anlage, doch heute sind es interessierte Menschen aller Konfessionen, welche innerhalb der Annäherung zeitweilig zu seinen „Weggefährten“ werden. Daher sieht der Entwurf eine spezielle Position vor, zu der sich der Besucher begeben kann und so einen umfassenden Überblick auf das Denkmal und dessen vielfältige Verweise erhält.
Der Besucher muss interagieren und nimmt so das Denkmal als Erlebnis war. Ein bleibender Eindruck entsteht durch diese aktive Auseinandersetzung.
2.
Die erhaltenen Fundamente werden in einer weißen Betonfreifläche integriert, so dass diese ablesbar bleiben, jedoch auch in der neuen Anordnung genutzt werden können. So laden zum Beispiel die Screens zum Verweilen ein. Abstrahierte Historie wird so zur erfahrbaren Information und kann von den Betrachtern individuell und nicht-dogmatisch interpretiert werden.
Die Betonfreifläche ist wartungsarm und verzichtet auf unbeleuchtete Ecken. Der Beton lässt sich einfach und kostengünstig umsetzen und bietet bauliche Flexibilität für einen behindertengerechten Zugang.
3.
Umgeben ist das Luther-Denkmal von anamorphotisch arrangierten LED-Screens, die aus einer spezifischen Perspektive eine geschlossene LED-Fläche ergeben. In der Bewegung des Betrachters zersplittert jenes scheinbar geschlossene Bild um die Luther-Statue in viele Verweis- und Hierarchieebenen. Die in sich geschlossene LED-Fläche ist nur von zwei ausgewählten Punkten sichtbar – der Besucher muss diese Orte direkt aufsuchen um das einheitliche Bild zu erhalten.
Die Besucher werden Teil des Denkmals. Durch die Verwebung von Licht und Raum entsteht so eine Kulisse die idealerweise fotografisch festgehalten und in den sozialen Netzwerken mit Freunden geteilt wird. Man wird so zu einem temporären „Weggefährten“ Martin Luthers, dessen Abbild um die Welt gehen kann.
Die Integrierung moderner LED-Technik zur Informationswiedergabe ist ein Verweis auf die Wichtigkeit von zeitgenössischen Technologien – die Luther-Bibel hätte beispielsweise ohne den Buchdruck nicht dieselbe Verbreitung erreicht. Daher ist das Einbringen moderner Medien unerlässlich für ein zeitgenössisches Denkmal. So wird ein Ort geschaffen, an dem der Besucher durch Interaktion selbst Teil des Denkmals werden möchte. Ziel ist es, das Denkmal in so entstehenden Fotografien und „Selfies“ aktiv in den sozialen Netzwerken zu verorten. So entsteht ein Gedankennetzwerk zwischen einem historisch aufgeladenen Ort und der digitalen Welt, die uns Alle tagtäglich umgibt.
Die Medienbespielung wird von einem Videokünstler geschaffen, dessen Werke aus abstrakten Auflösungen von Themenkomplexen bestehen. Diese schlagen eine emotionale Brücke zwischen dem Heute und den historischen Versatzstücken der Reformation. Es handelt sich dabei um keine didaktische Aufarbeitung, sondern ein assoziatives Geflecht, welches sich aus folgenden Fragmenten speist:
Die LED-Screens sind aus robustem, wettergeschützten Material – eine international angewandte Technik (vornehmlich im asiatischen Raum), die hervorragend gegen Vandalismus geschützt ist. Die LEDs werden das Denkmal bei Tag und Nacht beleuchten – dies mit einem geringen Strom- und Wartungsaufwand. Zudem werden so die Bäume hinter dem Denkmal beleuchtet und in diesem Lichtfeld in eine geschlossene Denkmalkulisse integriert. Der Park wird so aufgewertet und kann so beispielsweise im Sommer als Ort der Ruhe oder für Lesungen genutzt werden. Ein weiterer Punkt ist, dass das beleuchtete Denkmal auch aus erhöhter Perspektive wahrgenommen werden kann, etwa vom Funkturm oder Rathaus.
Das Luther-Denkmal passt sich in den vorhandene Ortsgefüge ein. Es bildet die Kreuzung zweier Blickachsen. Die erste ist eine direkte Achse vom Denkmal über den Neptun-Brunnen bis hin zum Rathaus; eine zweite entspannt sich von der Marienkirche hin zum Mendelssohn-Denkmal, mit dem Luther-Denkmal in der Mitte.
Diese Achsen sind auch im Zuge der zukünftigen städtischen Erschließung des Gebietes von Bedeutung, da auf der ersten Achse die Besucher mit dem Bus oder der neuen U-Bahn-Station von dem Rathaus ankommen und auf der zweiten Achse diejenigen, welche die Marienkirche betreten oder verlassen. Durch die Integration von einer in diesem Areal ungewöhnlichen Lichtform wird so ein aktives Denkmal geschaffen, welches die komplexe Geschichte der Stadt in einem neuen Licht erscheinen lässt.